Schalentier vs. Pilz - Chitin und Chitosan für die Wundbehandlung
Chitin und Chitosan bieten eine Vielzahl an nützlichen Eigenschaften für die Wundheilung, wie Biokompatibilität, Abbaubarkeit und blutstillende Wirkung. Die Biopolymerquelle beeinflusst dabei die Eigenschaften, die Weiterverarbeitung und assoziierte Fremdstoffe des Chitins. In diesem Artikel stellen wir ein Review vor, welches die wesentlichen Unterschiede zwischen Chitin aus Krebstieren und Chitin aus Pilzen in Hinblick auf die Wundheilung beleuchtet.
Krabbe vs. Pilz: Eine Bewertung von Krustentier und Pilz Chitin zur Wundbehandlung
Crab vs. Mushroom: A Review of Crustacean and Fungal Chitin in Wound Treatment. M. Jones, M. Kujundzic, S. John and A. Bismarck. Mar Drugs 2020 Jan 18;18(1):64. doi: 10.3390/md18010064.
Die bestmögliche Behandlung von Wunden ist eine Herausforderung in der modernen Gesundheitsversorgung. Wundauflagen sollen die Heilung verbessern, indem sie die Blutungen stoppen, überschüssige Wundflüssigkeit absorbieren, die Wunde feucht halten und vor Infektionen aus der Umwelt schützen. Bei konventionellen Verbandsmaterialien treten bei längerer Anwendung oftmals Irritationen auf, was bei der Behandlung chronischer Wunden wie schwerer Verbrennungen, diabetische Wunden und Geschwüre zu Problemen führt. Deshalb sind neue biokompatible Wundversorgungsmaterialien, die die Heilung aktiv unterstützen und antibakterielle und antimykotische Wirkung aufweisen, wichtig.
Die Hauptquelle für industriell verfügbares Chitin sind Schalen von Krabben (25-30% Chitin) und Hummern (16-23% Chitin), einem Abfallprodukt der Fischereiindustrie. Eine alternative Quelle für Chitin sind Pilze, welche mit 10-26% (im Komplex mit β-Glucan) einen geringeren Anteil an Chitin enthalten. Beide Quellen enthalten α-Chitin, im Gegensatz zu Tintenfischen und Röhrenwürmern, die überwiegend β-Chitin enthalten. Zwischen den beiden Chitin Quellen gibt es wichtige Unterschiede. Während Chitin aus Krebstieren nur minimale Verunreinigung durch Proteine aufweist, ist das Chitin aus Pilzen mit großen Mengen an Polysacchariden wie Glucan assoziiert. Die Extraktion von Chitin aus Pilzen und Krebstieren ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Das Endprodukt ist reines Chitin aus Crustacean bzw. ein Chitin- β-Glucan Komplex aus Pilzen. Die Herstellung von Chitosan durch Deacetylierung von Chitin erfolgt unter alkalischen Bedingungen. Chitosan ist in schwachen Säuren löslich, wodurch es gegenüber Chitin vielfältiger einsetzbar ist.
Abbildung: Chitin Extraktion ausgehend von Krebstieren und Pilzen. Nach dem Waschen und der mechanischen Behandlung folgen chemische Behandlungen für Entmineralisierung, Entproteinisierung und Entfärbung. (Quelle: Jones et al. 2020)
Die Wundheilung ist ein komplexer Mechanismus mit vier Stufen: Blutstillung (Hämostase), Entzündungsphase, Granulationsphase und Epithelisierungsphase. Innerhalb der Phasen sind unterschiedliche Zelltypen am Prozess beteiligt, der durch Chitosan positiv beeinflusst wird:
- Chitosan bildet zusammen mit roten Blutkörperchen Blutgerinnsel, wodurch die Blutung gestoppt werden kann
- Chitin und Chitosan locken Granulozyten zur Wunde - Aktivierung des Immunsystems, Reinigung der Wunde
- Chitin und Chitosan ziehen Makrophagen an – Entfernen toter Zellen, Stimulation von Fibroblasten, Unterstützung der Bildung neuer Blutgefäße und der extrazellulären Matrix
- Chitin und Chitosan stimulieren über Makrophagen indirekt
- Fibroblasten Zellen, die Zytokine und Interleukin 8 bilden
- Keratinozyten, die Keratin produzieren
Wundauflagen aus Pilz Chitin und Chitosan
Bereits in der Antike war die blutstillende Wirkung von Pilzen bekannt. Prudden et al. zeigte 1970 die positive Wirkung von pulverförmigen Mycelium von Phycomycetes mucor, Penicillium notatum, und Aspergillus niger an Wunden von Ratten. Im vorgestellten Review wurde der Einfluss verschiedener Chitine hinsichtlich der Verbesserung der Berstfestigkeit der Wunde vorgestellt. Chitin von Krabben und Hummern bewirkte die größte Verbesserung. Die Wirksamkeit von Pilz Chitin war schlechter, jedoch besser als die von Shrimp Chitin. Studien an Ratten und Meerschweinchen untersuchten ein Hautersatzmaterial aus β-Glucan und N-Acetylglucosamin aus Ganoderma tsugae, welches eine deutliche Verbesserung der Wundheilung im Vergleich zu konventionellem Verbandmaterial bewirkte. Diese Beobachtung konnte auch in Klinischen Studien am Menschen bestätigt werden.
In den letzten Jahren hat die Erforschung von Exopolysacchariden (EPS) an Bedeutung zugenommen. EPS sind im Gegensatz zu Chitin kein Bestandteil der interzellulären Matrix oder Zellwand, sondern sind auf der Zelloberfläche oder in der extrazellulären Matrix zu finden. Studien zeigten, dass auch EPS biokompatibel sind und die Interleuktin-8 Produktion von Fibroblasten induzieren und so die Wundheilung verbessern. Diese Ergebnisse könnten in Kombination mit Chitin-β-Glucan zur Entwicklung von vielversprechenden Wundmaterialien und Scaffolds führen.
Chitosan und Chitosan Derivate für innovative Wundauflagen
Chitin and Chitosan-basierte Wundmaterialien, die innerhalb klinischer Studien untersucht wurden und teilweise kommerziell erhältlich sind beispielsweise HemCon, Celox, Axiostat, Chitohem.
Für den Einsatz in Wundauflagen werden überwiegend Chitosan und Chitosan Derivate aufgrund der Unlöslichkeit von Chitin in Wasser und den meisten organischen Lösungsmitteln eingesetzt. Die Derivatisierung ermöglicht eine gute Löslichkeit in Wasser und die Verbesserung bestimmter biologischer Eigenschaften. Eines der am häufigsten eingesetzten Chitosan Derivate im Bereich Wundheilung ist Carboxymethyl chitosan (CMC). Vier verschiedene Substitutionsmuster sind möglich: N,O-CMC, O- CMC, N- CMC, N,N- CMC. Es konnte gezeigt werden, dass N,O-CMC verbesserte antibakterielle Eigenschaften besitzt. Die Carboxymethyl Gruppen erlauben außerdem eine weitere Funktionalisierung von z.B. Hydrogelen. Viel geforscht wird auch an der Kombination von Chitosan mit anderen biokompatiblen Stoffen wie natürlichen Polysacchariden, synthetischen Polymeren oder Metallnanopartikeln.
Schlussfolgerung: Der Einsatz von Chitin, Chitosan und Chitosan Derivaten für die Wundbehandlung beschleunigt die Heilung von Wunden und reduziert die Narbenbildung. Chitosan und Chitosan Derivate aus Krebstieren sind gut erforscht und werden aufgrund ihrer Reinheit und hohen Ausbeute bereits für verschiedenste Wundauflagen eingesetzt. Pilze als Chitin-Quelle sind hingegen aufgrund des geringen Chitingehaltes deutlich weniger gut für die Wundbehandlung erforscht. Ein großes Problem ist dabei auch die kovalente Bindung des Chitins mit β-Glucan. Weiterentwicklungen sind hier nötig, um das Potential von Polysacchariden aus Pilzen zu nutzen. Beide Quellen für Chitin und Chitosan bieten die Verbesserung der Wundbehandlung und sollten in der modernen Medizin mehr erforscht und eingesetzt werden.
Quelle: https://www.mdpi.com/1660-3397/18/1/64